Joachim Wittstock

* 28. August 1939 in Hermannstadt (Rumänien)

von Carmen Elisabeth Pucchianu

Leben und Werk

Joachim Wittstock wurde am 28. August 1939 in Hermannstadt (rum. Sibiu, ung. Nagyszeben) geboren. Er besuchte die Schule in Kronstadt (rum. Braşov, ung. Brassó) und studierte von 1958 bis 1961 an der Universität Klausenburg (rum. Cluj, ung. Kolozsvár) Germanistik und Rumänistik. Nach dem Hochschulabschluss arbeitete er als Lehrer und Bibliothekar in Heltau (rum. Cisnădie, ung. Nagydisznód) und in seiner Heimatstadt. Von 1971 bis 1999 war er Mitarbeiter des Hermannstädter Instituts für Gesellschaftlich-Humanistische Forschungen (rum. Institutul de Cercetări Socio-Umane Sibiu) im Bereich Literaturgeschichte. 2000 erhielt er den Ehrendoktortitel der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt.

Joachim Wittstock ist ein rumäniendeutscher Autor, der zeit seines Lebens in seiner Heimat Siebenbürgen gelebt, geschrieben und veröffentlicht hat. Seine schriftstellerische Tätigkeit beginnt 1970 mit Gedichten. Sein Werk versucht, durch Literarisierung der Realität das persönliche und das allgemeine Zeitgeschehen zu reflektieren und sich ihm gegenüber zu positionieren. 1972 erscheint sein erster Gedichtband Botenpfeil im Dacia Verlag Klausenburg. In den folgenden Jahren veröffentlicht Wittstock neben seinen Texten in der Zeitschrift Neue Literatur mehrere Sammlungen mit Gedichten, Prosaskizzen, Erzählungen und Essays, unter anderem im Kriterion Verlag Bukarest. In seiner Heimatstadt werden seine Texte jedoch erst nach der Wende 1989 im Hora Verlag publiziert.

Sein eher zurückhaltendes Auftreten mindert nichts an seiner Bedeutung für das literarische Tagesgeschehen und an seinen Bemühungen, jungen AutorInnen einer neuen Dichtergeneration zum Durchbruch zu verhelfen.

Joachim Wittstocks literarisches Schaffen umfasst eine breite Vielfalt von Textgattungen (Gedichte, Sonette, Erzählungen, Romane, Essays etc.) und prägt das Bild der rumäniendeutschen Spät- und Postmoderne. Obwohl seine Werke auf Deutsch verfasst sind, erscheint der Auswahlband Der europäische Knopf. Betrachtende und erzählende Prosa erst 1991 in Frankfurt am Main. Vier seiner Prosawerke wurden auch ins Rumänische übersetzt.

Neben seinem literarischen Schaffen veröffentlicht Joachim Wittstock in Zusammenarbeit mit seiner Schwester, der Journalistin Rohtraut Wittstock, zwei Künstlermonografien: 2014 den Band Margarete Depner. Eine Bildhauerin in Siebenbürgen und 2017 das Buch Wilhelm Fabini. Blick in sein Atelier.Beide Monografien erschienen im Hora Verlag Hermannstadt. Zudem ist Wittstock Mitherausgeber einer vierbändigen Darstellung der siebenbürgisch-deutschen Literatur von den mittelalterlichen Anfängen bis 1944 sowie einer Monografie über seinen Vater, den rumäniendeutschen Prosaschriftsteller Erwin Wittstock, dessen Werke in Einzelbänden er betreut.

Preise und Auszeichnungen

Joachim Wittstock ist Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbandes, der Deutschen Schillergesellschaft (Marbach am Neckar) und der Künstlergilde Esslingen. Er erhielt bereits dreimal (1978, 1983, 2002) den Literaturpreis des Rumänischen Schriftstellerverbands sowie 2007 den Opera-Omnia-Preis der Hermannstädter Zweigstelle dieses Verbands. 1991 wurde ihm die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung Weimar zuerkannt, und 1992 wurde ihm der Andreas-Gryphius-Preis der Künstlergilde Esslingen verliehen. 2010 wurde er mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis ausgezeichnet.

Joachim Wittstock lebt in Hermannstadt.

Rezeption

Joachim Wittstocks literarisches Schaffen bedient die Gattungen Lyrik, Kurzprosa, Roman und – vor allem nach der Wende – Essay. Trotz der Vielfältigkeit seines Werks wird es noch kaum zum Gegenstand germanistischer Forschung gemacht. Dies liegt vermutlich an der anspruchsvollen Konstruktion seiner Texte sowie an der mit äußerstem Bedacht formulierten Sprache. Die sprachliche und thematische Herausforderung von Joachim Wittstocks Texten wird bereits in den ersten Rezensionen von W. Gottschlick 1970 deutlich – er vergleicht Wittstocks Werke mit Thomas Manns umständlichen und langatmigen epischen Diskursen, betont aber dennoch seine erzählerische Begabung.

Da Joachim Wittstocks Werk nicht wie das anderer rumäniendeutscher Autoren wie Herta Müller oder Eginald Schlattner auf der Liste der von Germanisten und Studierenden der Germanistik bevorzugten Autoren steht, ist es bisher nur selten zum Gegenstand von Abschlussarbeiten oder Dissertationen geworden. In diesem Zusammenhang ist die Magisterarbeit von Mădălina Matei zu erwähnen, die unter dem Titel Kontinuität und Wandel in der rumäniendeutschen Literatur nach der Diktatur im Sommer 2018an der Kronstädter Philologischen Fakultät vorgelegt wurde. Dazu kommt die Dissertation von Tudor Ştefan, die 2012 an der Hermannstädter Philologischen Fakultät unter dem Titel Geschichtsbilder und Identitätskonstruktionen in der rumäniendeutschen Literatur mit ausgewählten Beispielen aus den literarischen Werken von Herta Müller und Joachim Wittstock verteidigt wurde. Eine Bibliografie der Werke von Joachim Wittstock liegt in den Germanistischen Beiträgen Heft 12, 2000, und Heft 25, 2009, Lucian Blaga Universität Hermannstadt/Sibiu, vor (näheres hierzu: http://reviste.ulbsibiu.ro/gb/).

Archivsituation

Das Archiv befindet sich in Privatbesitz.

Werke

Lyrik/Prosa/Biografien

  • Botenpfeil. Gedichte. Klausenburg, Dacia, 1972.
  • Blickvermerke. Dreiundvierzig Texte. Klausenburg, Dacia, 1976.
  • Karussellpolka. Erzählung. Klausenburg, Dacia, 1978.
  • Parole Atlantis. Erzählende und betrachtende Prosa. Klausenburg, Dacia, 1980.
  • Mondphasenuhr. Worte in gebundener und ungebundener Rede. Klausenburg, Dacia, 1983.
  • Ascheregen. Parallele Lebensbilder und ein Vergleich. Klausenburg, Dacia, 1985.
  • Morgenzug. Vergegenwärtigungen, Überlegungen. Klausenburg, Dacia, 1988.
  • Der europäische Knopf. Betrachtende und erzählende Prosa. Frankfurt am Main, dipa-Verlag, 1991.
  • Spiegelsaal. Skizzen, Erzählungen. Bukarest, Kriterion, 1994.
  • Die dalmatinische Friedenskönigin. Zwei Erzählungen aus südöstlichem Zeitgeschehen. Innsbruck, Edition Löwenzahn, 1997.
  • Kurator, Söldner, Gouverneur und andere Prosa. Bukarest, Kriterion, 1998.
  • Scherenschnitt. Beschreibungen, Phantasien, Auskünfte. Hermannstadt, Hora, 2002.
  • Bestätigt und besiegelt. Roman in vier Jahreszeiten. Bukarest, ADZ, 2003.
  • Keulenmann und schlafende Muse. Erfahrungsschritte. Hermannstadt, Hora, 2005.
  • Die uns angebotene Welt. Jahre in Klausenburg. Roman. Bukarest, ADZ, 2007.
  • Einen Halt suchen. Essays. Hermannstadt, Hora, 2009.
  • Die blaue Kugel. Erzählungen über Hermannstädter Gebäude und ihre Bewohner. Hermannstadt, Hora, 2012.
  • Margarete Depner. Eine Bildhauerin in Siebenbürgen. Hermannstadt, Hora, 2014. [zusammen mit Rohtraut Wittstock]
  • Weiße Lagune und andere Reisestationen. Hermannstadt, Hora, 2016.
  • Wilhelm Fabini. Blick in sein Atelier. Hermannstadt, Honterus, 2017.

Übersetzungen

  • Ploaie de cenuşă. Biografii paralele şi o comparaţie [Ascheregen. Parallele Lebensbilder und ein Vergleich]. Rumänisch von Al. Teodorescu. Bucureşti, Kriterion, 1989
  • Dumbrava morilor. Schiţe şi nuvele [Der Wald der Mühlen. Skizzen und Novellen]. Rumänisch von Nora Iuga. Bucureşti, Institutul Cultural Roman, 2007.
  • Protectoarea dalmată a păcii. Pagini de proză [Die dalmatinische Friedenskönigin. Prosaerzählungen]. Rumänisch von Laura Balomiri u. a. Sibiu, Editura Techno Media, 2009.
  • Strania călătorie a lui Peter Gottlieb. Povestire [Peter Gottliebs merkwürdige Reise. Erzählung]. Rumänisch von Nora Iuga. Bucureşti, Editura Tracus Arte, 2015.

Sekundärliteratur (Auswahl)

  • Robert Gabriel Elekes: Der uns angebotene Halt. Joachim Wittstock als Essayist. In Germanistische Beiträge 15 (2010) H. 1, S. 61–69.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Thomas Mann als schriftstellerisches Vorbild für Joachim Wittstock. Zu Wittstocks Erzählkunst am Beispiel seines Romans Die uns angebotene Welt. In: Transylvanian Review 28 (2009) H. 1.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Literarische Provinz zwischen Welthaltigkeit und Ortlosigkeit. Zur Performativität des Räumlichen an zwei Beispielen. In: Germanistische Beiträge 21 (2016) H. 1, S. 38–50. Online unter: <uniblaga.eu/de/vol-382016/>, 8. Oktober 2018.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: „Schnee, und das Sichtbare, das uns versucht“. Überlegungen zu Joachim Wittstocks Lyrik an einigen Beispielen. In: Germanistische Beiträge 14 (2009), S. 15–53.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Zeit und Politik in der rumäniendeutschen Gegenwartsliteratur. Überlegungen am Rande einiger Beispiele aus Joachim Wittstocks Lyrik. In: Meridian critic. Analele Universitatii Stefan cel Mare Suceava. Seria Filologie B. Literatura Tomul 17 (2011) H. 2, S. 193–204.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Zwischen gebundener und ungebundener Rede. Joachim Wittstock als Lyriker. In: Temeswarer Beiträge 7 (2010), S. 289–300.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Im Zeichen von Thomas Mann. Georg Härwest und sein Zauberberg. Überlegungen zu Wittstocks Roman Die uns angebotene Welt (2007) – Skizze eines Versuchs. In: Kronstädter Beiträge zur germanistischen Forschung („Erinnern und Vergessen“) 11 (2009), S. 23–38.
  • Maria Sass: Hybridität als Strukturprinzip in der beschreibenden und betrachtenden Prosa von Joachim Wittstock. In: Germanistische Beiträge 14 (2009), S. 78–97.
  • Maria Sass: Ein Blick in die Zukunft verdeutlicht die Gegenwart und belebt die Vergangenheit. Einige Interpretationsansätze zu Joachim Wittstocks Roman „Die uns angebotene Welt. Jahre in Klausenburg“. In: Germanistische Beiträge 13 (2008), S. 27–45.
  • Horst Schuller: Fiktion und Fiktionalisierung in der Prosa von Joachim Wittstock. In: Germanistische Beiträge 14 (2009), S. 54–77.
  • Stefan Sienerth: „Eigen und Fremd“ bei Joachim Wittstock. In: Siebenbürgische Zeitung 51 (2001) H. 18, S. 8. Online unter: <www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/alteartikel/583-eigen-und-fremdbei-joachim.html>, 8. Oktober 2018.

Rezensionen

  • Angelika Marks: Das Refugium als Werkstatt. Kunstband zu Wilhelm Fabini von Joachim Wittstock (26.11.2017). Online unter: <http://www.adz.ro/artikel/artikel/das-refugium-als-werkstatt/>, 8.Oktober 2018.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Ein Buch mit Haltung zu lesen. Zu Joachim Wittstocks Roman „Bestätigt und besiegelt. Roman in vier Jahreszeiten“. In: Allgemeine deutsche Zeitung für Rumänien 27. April 2004.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Vom Mut des Autors, einen Roman unter die Leute zu bringen. Zu Joachim Wittstocks „Die uns angebotene Welt“. In: Allgemeine deutsche Zeitung für Rumänien 5. Oktober 2007.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: An den Ursprüngen sesshaft. Zu Joachim Wittstocks Essayband „Einen Halt suchen“. In: Allgemeine deutsche Zeitung für Rumänien 19. September 2009.
  • Carmen Elisabeth Puchianu: Wer er ist. Würdigung zum 70. Geburtstag von Joachim Wittstock. In: Karpatenrundschau 27. August 2009.
  • Schuller, Horst: Von Kreis zu Kreis. Zu Joachim Wittstock „Die uns angebotene Welt. Jahre in Klausenburg“. In: Germanistische Beiträge 14 (2009), S. 144–147.

Weblinks

Publikationen (Auszüge) zum Download


Zitation

Carmen Elisabeth Pucchianu: Joachim Wittstock. In: Donau-Karpaten-Literatur: Lexikon zur deutschsprachigen Literatur aus Zentral- und Südosteuropa (2019). URL: https://dokalit.ikgs.de/wittstock-joachim (Stand: 10.5.2024).

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