Hermann Klöß

(auch Klöss)

* 26. September 1880 in Mediasch (Österreich-Ungarn) † 3. Juni 1948 in Hermannstadt (Rumänien)

von Stefan Sienerth

Leben und Werk

Hermann Klöß, 1880 in Mediasch (rum. Mediaș, ung. Medgyes) geboren, war der Sohn eines Rechtsanwalts. Er besuchte die Schule in seinem Geburtsort und – nach dem frühen Tod der Vaters – ab 1893 das Gymnasium in Hermannstadt (rum Sibiu, ung. Nagyszeben), das er 1899 absolvierte. Anschließend studierte er Philologie (Germanistik und Latein), Theologie und Philosophie in Wien (1899), Marburg (1899), Klausenburg (rum. Cluj, ung. Kolozsvár) (1900–1901), Kiel (1901–1902), Berlin (1902–1903) und Jena (1903). Von 1904 bis 1908 war Klöß Redakteur des Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts, danach Lehrer am Theo­logisch-Pädagogischen Seminar in Hermannstadt. 1911 wechselte er in den geistlichen Stand über und wurde Pfarrer in Pretai (rum. Brateiu, ung. Baráthely) (1911–1917) und Hammersdorf (rum. Gușterița, ung. Szenterzsébet) (1917–1934). Aus Krankheitsgründen 1934 vorzeitig pensioniert, verbrachte Klöß seine letzten Lebensjahre isoliert und zurückgezogen in Hermannstadt.

Klöß früheste literarische Versuche – sie gehen bis in die Gymnasialzeit zurück – schreiben lyrische Muster des 19. Jahrhunderts fort. Das Interesse des jungen Lyrikers an der zeitgenössischen Literatur entwickelte sich erst während seines Studienaufenthaltes in Deutschland. Noch bevor Adolf Meschendörfer seine für die Neuorientierung des siebenbürgisch-sächsischen Geisteslebens wirkungsreiche Zeitschrift Die Karpathen herausgab, versuchte Klöß die Moderne zunächst in den Akademischen Blättern und ab 1904 im Feuilleton des Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts zu popularisieren.

Klöß‘ erster Gedichtband Unsere Liebe. In Liedern (1913), in dem der Autor die seit 1907 entstandenen lyrischen Texte sammelte, ist neben den Versen von Eduard Schullerus das „bedeutendste Stück siebenbürgischer Lyrik kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges“ (Harald Krasser). Im ersten Teil des Bandes überwiegen kleine Stimmungsbilder, impressionistisch-neuromantischer Machart, im zweiten Teil tritt Persönliches stärker hervor. Der Tod der Geliebten, einer Tochter des Mundartdichters Ernst Thullner, die als achtzehnjährige Braut Klöß‘ starb, bildet Urerlebnis und Angelpunkt dieser Dichtungen.

Neue Elemente tauchen in den lyrischen Texten Klöß’ nach 1911 auf. Im Nachlass des Schriftstellers gibt es ein Korpus Gedichte unterschiedlicher Diktion – eine strengere Auswahl hiervon wurde im Band Herbstgetön (1989) erstmalig veröffentlicht –, die den Grundstock für weitere Lyrikbände bilden sollten. Neben Texten, die durch die Einfachheit und Klarheit ihrer Bilder bestechen, lassen sich vereinzelt Landschaftsgedichte vermerken, die durch Hereinnahme von Realien, die dem Industriezeitalter eigen sind, die Bedrohung natürlicher Ordnungen suggerieren.

In der Lyrik der 1920er- und 1930er–Jahre, vor allem im Zyklus Neue Psalmen, machen sich – wie im gesamten Spätwerk von Klöß – christliche Motive bemerkbar, wohl auch als Ausdruck der Existenzangst, der Unsicherheit und der allgemeinen Orientierungslosigkeit jener Jahre. Verse, in denen leise Töne, einfache Metaphern und reduzierte Sprachmittel überwiegen, wechseln mit solchen, deren Bilderreihen überladen, angestrengt und manieriert wirken. Tradierte Reime, regelmäßiger Rhythmus, kunstvoller Strophenbau lösen sich zunehmend in eine reimlose Lyrik auf, die sich freier Rhythmen bedient, der Prosa in die Nähe rückt, ohne aber gänzlich in sie überzugehen.

Krisen und Konfliktsituationen der Jahre um den Ersten Weltkrieg sowie die eingehende Beschäftigung Klöß’ mit den Werken von Shakespeare und Goethe, zu der sich später auch die Auseinandersetzung mit den Schriften zeitgenössischer Dramatiker, vor allem mit jenen Gerhart Hauptmanns hinzugesellten, führten ihn mehr und mehr dem Gebiet des Theaters zu, auf dem er seine besten literarischen Leistungen erbringen sollte.

Die Braut von Urwegen (1918), das einzige Bühnenstück Klöß’, das aufgeführt wurde, gestaltet einen alten siebenbürgischen Sagenstoff, der bereits zuvor von sächsischen Autoren (Josef Marlin, Carl Römer, Ernst Thullner) literarisch bearbeitet worden war. Im Unterschied zu seinen Vorgängern wird man im Drama von Klöß vergebens jene Gestalten „guter sächsischer Art“ suchen, die den Großteil der siebenbürgisch-deutschen Heimaterzählungen und Volksstücke „zieren“ (Karl Kurt Klein).

Im Drama Die Nachfolge Christi (1919) entwickelt sich das Konfliktgeschehen, das durch den Bau beziehungsweise das Niederreißen eines neuen Gotteshauses angefacht wird, aus der Konfrontation zweier Prinzipien, die durch den Pfarrer Matthias, der sich in der Gefolgschaft Christi als Prophet und Verkünder einer neuen Moral versteht, und dem Bauer Pitters, ein von Macht- und Geldgier Besessener, vertreten werden. Die Idee von der Erneuerung des Men­schen und seiner sittlich-religiösen Läuterung, ein verbreitetes Thema expressionistischer Literatur, bildet den zeit- und literaturgeschichtlichen Rahmen, in den sich das Stück einzeichnet.

Der Gegensatz zwischen Armen und Wohlhabenden auf dem Hintergrund einer drohenden Überschwemmung bildet im letzten von Klöß veröffentlichten Theaterstück (Untergang, 1920) den primären Antrieb des sich sprunghaft entwickelnden dramatischen Geschehens. Für die vollständig entmächtigten Armen setzen sich bloß Vertreter von Randgruppen („ver­bummelte Schauspieler“, gesellschaftlich Entwurzelte) ein. Die Überschwemmung, die alle mit in den Untergang reißt, führt zu keiner Solidarisierung, sie steigert vielmehr die bereits vorhandenen Gegensätze.

Mit dem Totentanz – das Stück ist von den bislang unveröffentlichten dramatischen Werken zeitlich am frühesten entstanden – knüpft Klöß an die mittelalterlichen Spiele vom Tod an, die er jedoch durch Anlehnung an Volkssagen, etwa an jene vom wilden Jäger und der wilden Jagd, gezielt erweitert. Die düstere Aussage des Stückes – die kampfeslustigen und -mutigen Protagonisten, die dem geheimnisvollen, todbringenden fremden Jüngling Dietrich bedingungslos verfallen, kommen bis auf wenige Ausnahmen alle um – ist jener des Untergangs und entspricht dem von den Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges geprägten Zeit- und Menschenbild. Motive der Endzeit, des Weltendes und des Todes, denen man in der expressionistischen Literatur immer wieder begegnet, spielen auch in diesem Werk eine zentrale Rolle.

Einem anderen Entwicklungsstrang expressionistischer Dramatik, der sozialkritisch orientierten und antibürgerlich eingestellten, ist Joseph der Träumer verpflichtet. Die Titelgestalt, ein begabter junger Mann, gerät mit seinen unmittelbaren Vorgesetzten in offenen Konflikt, der sich ausweitet und auch harte Auseinandersetzungen mit dem Bruder, den Behörden – allgemein mit seinem Umfeld – nach sich zieht und bis zuletzt auch Josephs Tod zur Folge hat.

Mit dem Trauerspiel Frau Balk, in dem er die durch die siebenbürgische Historiographie und Literatur (Traugott Teutsch, Johann Leonhardt) übermittelte Leidensgeschichte der schönen und tugendhaften Hermannstädter Apothekersfrau, die, um ihre Ehre zu retten, es vorzog in den Tod zu gehen, als sich vom siebenbürgischen Fürsten Gabriel Báthory (1608–1613) sexuell missbrauchen zu lassen, kehrte Klöß stofflich wieder zu seinen dramatischen Anfängen zurück. Im Unterschied zu Meschendörfers Drama Michael Weiß – zu dem Klöß seine Tragödie als eine Art Gegenstück verfasste –, das etwa in derselben Zeit spielt und die menschlichen und politischen Verstrickungen des Kronstädter Stadtrichters Weiß sowie die Auseinandersetzung der Kronstädter BürgerInnen während der Belagerung durch Báthory thematisiert, stellt Klöß den siebenbürgischen Fürsten ins Zentrum des dramatischen Geschehens. Eine stark vitalisierte Sprache, die vorwiegend Báthory gebraucht, von oft großer Suggestivkraft ist diesem Stück eigen. Die vielen Metaphern aus dem erotischen Bereich – Ausdruck sexueller Wunschprojektionen des Fürsten – beweisen die ungewöhnliche, mitunter etwas ausschweifende Assoziationskraft des Autors.

Von den Prosaschriften Klöß’, die er unter dem Titel Siebenbürgische Studien im Rowohlt Verlag herauszugeben beabsichtigte, verdient die aus dem Nachlass veröffentlichte Erzählung Therese Erwähnung.

Sein Talent als Prosaschriftsteller kommt vor allem in jenen Passagen zur Geltung, wo es Klöß gelingt, sowohl das bis zur Selbstaufgabe gesteigerte innere Erleben Thereses wiederzugeben als auch jene Bilder einzufangen, die dem Umfeld, in dem sich alles zuträgt, seine Unverwechselbarkeit verleihen.

Archivsituation

Der Nachlass von Hermann Klöß befindet sich im Archiv des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e.V. (IKGS) in München. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Teilnachlass. Der Bestand kann über das Findbuch recherchiert und vor Ort eingesehen werden.

Werke

Lyrik

  • Unsere Liebe. In Liedern. Mit original Lithographien von Hermann Konnerth. Hermannstadt, Joseph Drotleff, 1913.

Dramen

  • Die Braut von Urwegen. Kronstadt, Wilhelm Krafft, [1918].
  • Die Braut von Urwegen. In: Kalender des Siebenbürgischen Volksfreunds 49 (1918) H. 23, S. 49–60. [der 1. Akt eines noch ungedruckten Schauspiels]
  • Die Nachfolge Christi. Hermannstadt, Wilhelm Krafft, 1918.
  • Untergang. Hermannstadt, Joseph Drotleff, 1920.
  • Joseph der Träumer. Szene aus dem noch ungedruckten Trauerspiel „Joseph der Träumer“. In: Klingsor 3 (1926) (Heftangabe fehlt), S. 413–420.

Anthologien

  • Herbstgetön. Gedichte, Dramen und eine Erzählung. Aus dem Nachlass hg. von Stefan Sienerth. Bukarest, Kriterion, 1989.

Sekundärliteratur

  • Karl Kurt Klein: Hermann Klöß. In: ders.: Ostlanddichter. 10 literarische Bildnisstudien siebenbürgisch-sächsischer Dichter der Gegenwart entworfen. Kronstadt, Klingsor Verlag, 1926, S. 56–59.
  • Harald Krasser: Der Dichter H. K. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 29 (1980) H. 3, S. 175–178.
  • Stefan Sienerth: Hermann Klöß. In: Die Literatur der Siebenbürger Sachsen in den Jahren 1849–1918. Hg. von Carl Göllner und Joachim Wittstock. Bukarest, Kriterion, 1979, S. 204–212.
  • Stefan Sienerth: Hermann Klöß. In: Die rumäniendeutsche Literatur in den Jahren 1918–1944. Hg. von Joachim Wittstock und Stefan Sienerth. Bukarest, Kriterion, 1992, S. 178–187.
  • Michael Markel: Expressionismus in der rumäniendeutschen Literatur. In: Die siebenbürgisch-deutsche Literatur als Beispiel einer Regionalliteratur. Hg. von Anton Schwob u. Brigitte Tontsch. Köln/Weimar/Wien, Böhlau, 1993, S. 177–183.

Ein vollständiges Verzeichnis der Publikationen findet sich in:

Weblinks


Zitation

Stefan Sienerth: Hermann Klöß. In: Donau-Karpaten-Literatur: Lexikon zur deutschsprachigen Literatur aus Zentral- und Südosteuropa (2019). URL: https://dokalit.ikgs.de/kloess-hermann (Stand: 14.7.2024).

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